Wen betrifft das Gesetz?
Die Regelungen gelten für Unternehmen mit mehr als neun Beschäftigten oder einem Jahresumsatz über zwei Millionen Euro – und zwar insbesondere dann, wenn sie Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten. Reine B2B-Angebote oder Präsentationswebsites ohne Bestell- oder Buchungsfunktion sind von der Pflicht ausgenommen.
Was muss barrierefrei werden?
Betroffen sind unter anderem:
- Digitale Angebote wie Online-Shops, Buchungsportale oder Apps mit Zahlungs- oder Interaktionsfunktionen
- Geräte wie Smartphones, Tablets, Smart-TVs oder E‑Book-Reader
- Bedien-Terminals wie Fahrkartenautomaten, Check-in-Kioske oder Bankautomaten
- Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation, Banking, Transport, E‑Commerce und E‑Books
Auch begleitende Inhalte wie Anleitungen, AGB oder der Kundenservice (Hotline, Chat, Support-Portale) müssen künftig barrierefrei gestaltet sein.
Was bedeutet „barrierefrei“ konkret?
- Klare Navigation und Bedienbarkeit per Tastatur
- Screenreader-kompatible Inhalte mit alternativen Texten für Bilder
- Gut lesbare Schriften, ausreichende Kontraste
- Hinweise und Texte in verständlicher Sprache
- Flexible Darstellung (z. B. auch auf Braille-Zeilen oder mit Hörhilfen kompatibel)
Auch interaktive Geräte müssen bedienbar sein – etwa durch taktile Elemente, Sprachführung oder verlängerbare Eingabezeiten.
Technische Umsetzung: Wie gelingt Barrierefreiheit?
Die Anpassung digitaler Angebote ist mit technischer und konzeptioneller Arbeit verbunden. Je nach Plattform können Hilfsmittel wie barrierefreie Templates, CMS-Plugins oder spezialisierte Tools unterstützen. Besonders wichtig ist die manuelle Nacharbeit: Alternativtexte, logische Inhaltsstruktur, verständliche Sprache und eine durchdachte Nutzerführung sind entscheidend.
Hilfreich sind auch Softwarelösungen, die Barrierefreiheit prüfen – etwa mit simulierten Screenreadern, Farbsehschwächen-Tests oder Tastaturnavigation. Viele Agenturen bieten bereits gezielte Umsetzungsberatung an.
Welche Fristen gelten – und was droht bei Verstößen?
- Für digitale Dienstleistungen gilt die Pflicht ab dem 28. Juni 2025
- Bereits bestehende physische Produkte dürfen noch bis 2030 (bzw. teilweise bis 2040) weiterverwendet werden
- Bei Verstößen drohen Bußgelder bis 100.000 Euro und Verkaufsverbote
- Eine Ausnahme gibt es nur bei nachweislich unverhältnismäßiger Belastung, etwa bei technischen oder wirtschaftlichen Hürden – diese muss aber vorab dokumentiert und begründet werden
Was Unternehmerinnen jetzt tun können
Gerade für Unternehmerinnen mit digitalen Vertriebswegen oder Serviceangeboten ist jetzt der richtige Zeitpunkt, ihre Website, Apps oder Buchungsprozesse auf Barrierefreiheit zu prüfen. Wer frühzeitig handelt, vermeidet spätere Engpässe bei Agenturen oder Dienstleistern – und zeigt gesellschaftliche Verantwortung. Denn eine barrierefreie Gestaltung bedeutet nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern auch bessere Nutzbarkeit für alle – inklusive älterer Menschen, technikferner Zielgruppen oder Menschen mit temporären Einschränkungen.
Weiterführende Informationen
Leitlinien und Praxisbeispiele finden sich z. B. bei der Bundesfachstelle Barrierefreiheit sowie im Bundeswirtschaftsministerium.
Aktuell (Stand Juni 2025) gibt es keine zentrale Online-Stelle, bei der Unternehmen proaktiv einen Nachweis für die „unverhältnismäßige Belastung“ nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) einreichen oder bestätigen lassen können.
Was du stattdessen tun musst:
1. Selbsteinschätzung und Dokumentation
Unternehmen, die sich auf eine unverhältnismäßige Belastung berufen wollen, müssen:
- eine schriftliche Beurteilung dieser Belastung eigenständig anfertigen,
- diese intern aufbewahren und
- sie bei einer späteren Kontrolle durch die Marktüberwachungsbehörden vorlegen können (§ 17 BFSG).
Wichtig: Diese Begründung darf nicht erst nachträglich erstellt werden, sondern muss vor dem Verstoß bzw. vor dem Verzicht auf Barrierefreiheit dokumentiert vorliegen (außer bei Kleinstunternehmen).
Was sollte in dieser Beurteilung stehen?
- Finanzielle, organisatorische oder technische Gründe, warum die Umsetzung nicht zumutbar ist.
- Konkrete Berechnungen oder Einschätzungen, die zeigen, dass der Aufwand unverhältnismäßig hoch ist im Verhältnis zur Unternehmensgröße oder Reichweite.
- Alternativen oder Teillösungen, die geprüft oder umgesetzt wurden.
Zuständige Behörde
Die Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer sind für die Kontrolle und Durchsetzung zuständig. Erst im Fall einer Kontrolle oder Beanstandung musst du die Begründung vorlegen. Eine vorab erfolgende Online-Prüfung oder Genehmigung durch eine Behörde ist nicht vorgesehen.
Tipp:
- Nutze juristische Beratung oder einen IT-Fachanwalt, um deine Einschätzung rechtssicher zu dokumentieren.
- Orientiere dich an den Leitlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz oder den Webinaren der Bundesfachstelle Barrierefreiheit (diese bieten konkrete Hinweise zur Anwendung des Gesetzes).